Bayreuth und die Interpretationen der Werke Richard Wagners im Lauf von 141 Jahren; selten wird über Regiearbeiten auf Opernbühnen soviel debattiert wie über "das Werkstatttheater" Bayreuth. Was bedeutet der Begriff "Werktreue"? Diesen Frage wird Otmar Schober mit vielen Bild - und Tondokumenten nachgehen.
Gedenkjahr (Folge 7)
Nazi-Herrschaft beginnt
Mit der Übernahme der Nazi-Herrschaft wurde auf der außerordentlichen Generalversammlung des Richard Wagner Vereins als letzter Tagesordnungspunkt die Auflösung des Vereins beschlossen. Der Verein wurde dem gesamtdeutschen „Bayreuther Bund“ eingefügt.
Nach dem Krieg wurde der Richard Wagner Verein unter dem Namen „Richard Wagner Gesellschaft“ gewissermaßen neu begründet. An der Spitze stand der Komponist Ernst Ludwig Uray. Dieser war am 26. April 1906 in Schladming geboren und ein Schüler von Joseph Marx, bis heute der bekannteste steirische Komponist. Er wurde auch Präsident des steirischen Tonkünstlerbundes und Abteilungsleiter für Ernste Musik im Österreichischen Rundfunk.
Ein vereinshistorisches wichtiges Datum ist der 13. September 1961. Da in Österreich keine wirklich aktive Richard-Wagner-Bundesländervereine mehr vorhanden sind, trägt die hiesige Vereinigung ab sofort den statutengemäß zustehenden Titel Österreichische Richard-Wagner-Gesellschaft, Sitz Graz. Der Nachsatz Landesstelle Steiermark wird beseitigt. Zu diesem Zeitpunkt war die Salzburger Richard-Wagner-Gesellschaft „in Auflösung“, Wien kaum hervortretend.
In diesen Zeitraum fällt dann in der Folge auch die Schaffung und Aufstellung einer Richard-Wagner-Büste vor dem Grazer Opernhaus. Die feierliche „Eröffnung“ erfolgt im Jubiläumsjahr 1963.
Gedenkjahr (Folge 6)
Enge Freundschaft mit Wagner-Sohn Siegfried
Friedrich Hofmann war auch mit dem Sohn Richard Wagners Siegfried besonders eng befreundet. Im Jahre 1904 am 12. Februar kam es in der ausverkauften Industriehalle in Graz zu einem bemerkenswerten Konzert. Die Kritiker damals: Siegfried sei „zwar der Erbe von Bayreuth, aber dennoch sein eigener Herr. Mit seiner Musik bekannte er sich am klarsten.“ Hofmann und Kienzl überreichten dem stürmisch gefeierten Komponisten Lorbeerkränze. Siegfried Wagner war oft im Hause Hofmann zu Gast, stand dort auch Autogrammjägern bereitwillig zur Verfügung.
Die Komponisten Wilhelm Kienzl und Joseph Marx waren am 31. Dezember 1930 aus Wien angereist, um bei der Totenfeier für Siegfried Wagner vierhändig das Siegfried-Idyll aus der Götterdämmerung zu spielen.
Ein wesentlicher Bestandteil der Abende im Grazer Haus Wahnfried war das gesamtfällige Beisammensein nach den jeweiligen Aufführungen. Wobei recht ordentlich dem edlen Gerstensaft zugesprochen wurde. Friedrich Hofmann wirkte auch als Präsident der Brauerei Puntigam. Er pendelt zwischen Bayreuth und Puntigam.
Die Weltwirtschaftskrise traf logischerweise auch die Wagnerianer. Die Hauptversammlung des Vereins musste sich 1931 vielfach mit der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage befassen. „Diese wirkte sich besonders auf jene Kreise aus, aus denen der Verein sich zusammensetzt“, heißt es da. Daher konnten die Grazer an den Richard Wagner Verein Würzburg nur einen Betrag von 100 Schilling überweisen, konnten keine Karten für die Festspiele angekauft werden. Die Mitgliedsbeiträge wurden gesenkt: 90 Mitglieder zahlten vier Schilling, die Familienanschlusskarte kostete weitere zwei, Studenten zahlen einen Schilling.
Am 23. November desselben Jahres – 1931 – erlosch das reiche, bis an den Rand erfüllte Leben Friedrich Hofmanns. Die Trauerfeier am 17. Dezember wurde zu einem denkwürdigen Ereignis. Friedrich Hofmann hatte auch testamentarisch im Sinne Richard Wagners „vorgesorgt“. Die Richard Wagner Stipendium Stiftung bedankte sich im Jahre 1931/32, aus der Verlass-Sache Friedrich Hofmanns 1.000 Reichsmark erhalten zu haben.
Gedenkjahr (Folge 5)
Unterstützung für Grazer Opernausbau
In München hörte Hofmann die Götterdämmerung. Er beschaffte sich Literatur über den Meister, da er bisher nichts gelesen hatte. Später lernte er Dr. Friedrich von Hausegger kennen, den er bis dahin aus Vorurteilen gegen alle Kritiker gemieden hatte. Ganz besonders erfüllte ihn Glücksgefühl, als er Richard Wagner im Wiener Hofopernhaus seinen Lohengrin zugunsten der Chormitglieder selbst dirigieren sah und seine Stimme hören konnte. Und als nach Schluss der Vorstellung sich der Jubel nicht legen und das Haus nicht leeren wollte.
Als Architekt und Musikfachmann gestaltete Hofmann den Saal der ehemaligen Landesmusikschule in der Griesgasse 29. Die Bühne war 80 cm erhöht. Vor und unter der Bühne nach Bayreuther Muster ein vollständig versenktes Orchester für 50 bis 60 Musiker.
Am Ende des vorigen Jahrhunderts setzte sich Hofmann anlässlich des Grazer Opernhaus-Baues sehr eindringlich für eine richtige Art des Baues ein: „Möge der Mensch immer Fehler begehen – bauen sollte man keine. Hoffentlich befolgt man dieses Goeth’sche Wort auch einmal in Graz.“ Und an anderer Stelle im Hinblick auf eine Meistersinger-Aufführung: „Als räumlich unzulänglich für das große Werk erwies sich für jedes aufmerksame Auge die Bühne des Parktheaters.“ Also schon damals nahm Hofmann entscheidenden Einfluss auf das Grazer Operngeschehen.
Besonders zu nennen sind auch die Vereinsabende in der Villa Hofmann, die geschlossen bestimmten Komponisten (außer Richard Wagner) gewidmet wurden. Das Repertoire der vereinsamte Vereinsabende erfasste natürlich nicht nur irgendwie Wagner-nahe Komponisten, sondern bezog das ganze weite Gebiet der deutschen Klassik und Romantik ein, war also dem Geiste des Schirmherrn entsprechend jeder Einseitigkeit abhold.
Gedenkjahr (Folge 4)
Friedrich folgt Friedrich - Hofmann auf Hausegger
Die Geschichte des Grazer Richard-Wagner-Vereins, im besonderen auch die Geschichte des Hauses Hofmann in der Körblergasse 28, ist zugleich auch die Geschichte der Grazer Oper, aber auch des Grazer Konzert- und Musiklebens in einem maßgeblichen Umfang. Die bedeutendsten Sänger in dieser Zeit waren in seinem Haus zu Gast. Dazu kam die große Garde musikalisch Schaffender wie Kienzl, Joseph Marx (1882 bis 1964), Siegfried Wagner (1869 bis 1930) und die Wegbereitung für Hugo Wolf, dessen Lieder hier aus der Taufe gehoben wurden und Graz damit zur Wagner- und Wolf-Stadt machten.
Friedrich Hofmann war in ganz jungen Jahren selbst als Sänger tätig. Schon wenn man das Haus, das sich Architekt Hofmann in der Körblergasse 28 im Stile Wahnfrieds erbaut hatte, nur sieht, fühlt man den Geist Bayreuths in Wellen entgegen wehen. Und wenn man in den Musiksaal eintritt, zitiert man in Gedanken willkürlich den Beginn der Hallen-Arie. Die bei den ersten Aufführungen in diesem Haus immer „Begrüßung der Sänger-Halle“ genannt wurde. Umso beglückender, so heißt es im Archiv, empfand man es dann, wenn man an der Seite mit den, wie man damals noch nicht sagte, prominentesten Mitgliedern der Grazer Oper und der Grazer Konzertbegleiter auf die Bühne kam.
Am 11. April 1899 übernahm Friedrich Hofmann die Obmann-Position im Richard Wagner Verein. Zu diesem Zeitpunkt war er aber bereits fast zwei Jahrzehnte einer, der die Aktivitäten wesentlich mitbestimmt hatte. Er hatte in seiner Jugend keine Noten- und Instrumentenkenntnisse. Jedoch übte er in der Volksschule und später im Kirchenchor eifrig mit. Außerdem trug das Studenten- und Soldatenleben viel zur Kenntnis von Volksliedern bei. Im Theater ging er zuerst ins Schauspiel, dann erst, mehr aus Luxus als ein Bedürfnis, auch in die Oper. Er hörte zuerst Giacomo Meyerbeer, Carl Maria von Weber und erst später Wagner. „Diesen verstanden die Musiker kaum“, so war die landläufige Anschauung, aus der er schloss, dass ein Nicht-Musiker ihn im Leben gar nicht verstehen könne.
Mit 20 Jahren hörte er den Lohengrin zum ersten Mal. Doch von der Musik war er zuerst enttäuscht, aber Stoff und Stoffgestaltung fesselten ihn. Immer wieder ergriff er daher Partei für Richard Wagner als Komponisten. Es entwickelte sich bei Hofmann eine durchaus natürliche, gesunde Mischung aus nationalem, patriotischem Sinn und musikalischer Begeisterung. Bei einer Aufführung von Figaros Hochzeit in Wien interessierten ihn und seine Frau die Anwesenheit Wagners und dessen Teilnahme-Äußerungen am Theater-Geschehen mehr als die Opernaufführung selbst.
1879 hörte er in Wien erstmals den Sänger Ferdinand Jäger als Siegfried. „Es war der vollkommenste Kunsteindruck meines bisherigen Lebens.“ Daraus ergab sich später eine persönliche enge Bindung Jägers an das Haus Hofmann in Graz, der dort in der Körblergasse 28 auch nicht nur zu Gast war, sondern auch als Tenor begeisterte.
Gedenkjahr (Folge 3)
Hauseggers Sohn als Komponist
Zu einem Spezifikum des Grazer Wagner-Vereins entwickelten sich dann die sogenannten „Studienabende“. Dabei gab es Vorträge – zum Beispiel von Friedrich Hofmann – und die musikalische Leitung des Dargebotenen lag in den Händen von Siegmund von Hausegger, dem Sohn des Obmannes Friedrich von Hausegger. Dieser wurde am 16. August 1872 in Graz geboren und zuerst von seinem Vater in Musik unterrichtet. Bereits 1890 kam seine erste Oper „Helfried“ in Graz zur Uraufführung. Acht Jahre später gab es dann in München die nach E.T.A. Hofmanns „Klein Zaches“ librettierte Oper „Zinnober“ unter Richard Strauss zur Aufführung.
Weiters hervorzuheben sind in seinem Schaffen die sinfonischen Dichtungen „Barbarossa“, „Wieland der Schmied“ und eine „Natursinfonie“ mit Schlusschor. Musik ganz im Geist und in der Welt Wagners. 1895/96 war Siegmund von Hausegger als Opernkapellmeister in Graz tätig, ging dann später als Konzertdirigent nach München, Frankfurt am Main, Hamburg und Berlin und stieg schließlich zu hohen Musiker-Ehren als Präsident der Akademie der Tonkunst in München auf. Dort starb er am 10. Oktober 1948.
Wiederholt wurden Studienabende des Richard Wagner Vereins in Graz als Vorbereitung auf den Besuch der Bayreuther Festspiele, aber auch vor Grazer Wagner-Aufführungen durchgeführt. Vater Friedrich von Hausegger sprach „über die dramatische und philosophische Idee im Ring“ und sein Sohn Siegmund war der musikalische Leiter dieser konzertmäßigen Aufführungen.
Eine Besonderheit des Richard Wagner Vereins war der Umstand, dass als Mitglieder aktive Sänger der Grazer Oper und Theaterwelt an diesen Studienabenden mitwirkten. Er ermöglichte damit nicht nur reifen, sondern auch lernenden Künstlern, ja sogar noch lernenden die Gelegenheit, ihre Fähigkeiten zu zeigen. Aufgrund seines Rufs und seines Charismas wurde die Tätigkeit von Friedrich von Hausegger in Bayreuth selbst sehr geschätzt. Er war es auch, der in Graz den Komponisten Dr. Wilhelm Kienzl (1857 bis 1941 gestorben in Wien) nach Graz holte. Kienzl sprach damals über „den Einfluss Bachs auf die deutsche Kunst, insbesondere auf Wagners Schaffen“.
Die 1885 veröffentlichte Mitgliederliste des Grazer Richard Wagner Vereins war prominent besetzt mit Persönlichkeiten des Grazer Kulturlebens. Neben Friedrich von Hausegger als Obmann, Architekt Friedrich Hofmann als Schriftführer, dem Komponisten Dr. Kienzl und weiteren Persönlichkeiten des damaligen öffentlichen Lebens, die heute nur noch Historiker kennen.
Nach Wien war Graz einer der großen Wagner-Vereine: Berlin 410 Mitglieder, München 360, Wien 800. Stolz gab man in Graz bekannt, dass man jedem fünften Mitglied des Vereins eine freie Eintrittskarte zum Besuch der Festspiele versprechen konnte.
Ein Ereignis von musikhistorischer Bedeutung gab es im April 1890. In Graz am 12. April wurden auf Initiative Friedrich Hofmanns erstmals Lieder von Hugo Wolf (1860 bis 1903) gesungen. In den folgenden Jahren gab es immer wieder Liederabende, an denen vereinzelt Wolf selbst als Begleiter am Klavier im Hause Hofmann in der Körblergasse 28 zu Gast war.
Lob für „Tristan und Isolde“ - Premiere in Wuppertal
Seit 2021 fungiert der gebürtige Eggersdorfer als Generalmusikdirektor am Opernhaus in Wuppertal. Noch im Oktober gab es die Premiere von „Tristan und Isolde“ unter seiner Musikalischen Leitung. Der Jungstar am Dirigenten-Pult und das Ensemble mit dem Orchester wurden für ihre Leistung auf Musikplattformen und in (Print-)Medien großteils gelobt.
So berichtet www.die-deutsche-buehne.de:
… Die Oper Wuppertal bebildert Richard Wagners „Tristan und Isolde: Videokünstler Martin Andersson zeigt großflächig Meereswogen und der junge GMD Patrick Hahn lässt es ebenso rauschen. Großer Jubel trotz statischer Personenregie – vor allem für die eingesprungene Stéphanie Müther als Isolde ...
… Die größten Helden des Abends sind das Sinfonieorchester Wuppertal und dessen Chef Patrick Hahn. Der Mehrwert von Martin Anderssons wogenden Videowelten in „Tristan und Isolde“ bleibt hingegen begrenzt ...
deropernfreund.de:
… Wuppertals neue Opernintendantin Rebekah Rotah biet in dieser Saison einen attraktiven und abwechslungsreichen Spielplan, bringt Händels „Alcina“, Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“ und das „Cinderella“-Musical von Richard Rodgers. Nach der experimentellen Saisoneröffnung mit „Angels Bone“ in der Alten Glaserei, kann jetzt auch wieder das Opernhaus bespielt werden, dass nach dem Schaden von Hochwasser vom Juli 2021 renoviert werden musste. Geboten wird Wagners „Tristan und Isolde“, sodass auch Generalmusikdirektor Patrick Hahn mit seinem Orchester groß aufzutrumpfen kann …
www.nrz.de und www.waz.de:
Starke Impulse setzt Generalmusikdirektor Patrick Hahn, der offensichtlich an die von seiner Vorgängerin Julia Jones erzielte Qualität des Orchesters anknüpfen kann und wesentlich zum musikalischen Erfolg der Produktion beiträgt.
Gedenkjahr (Folge 2)
Auch Trauer in Graz
In seiner eigenen Chronik schreibt Friedrich Hofmann, einer der Mitstreiter von Friedrich von Hausegger: Am Todestag Richard Wagners traten folgende Freunde bei Herrn Doktor von Hausegger zusammen: Graf Wittgenstein, Fritz Purgleitner (er war ein Heldentenor seinerzeit) und ein enger Freundeskreis. Die Gedenkworte sprach Friedrich von Hausegger. Es wurde beschlossen, ein Beileidstelegramm nach Venedig und eine Kranzspende nach Bayreuth zu senden. Schon wenige Wochen darauf kam es dann zur Gründung des „Zweiten Richard Wagner Vereins“. In der Tagespost erschien ein Aufsatz von Friedrich Hofmann: Die Bühnenfestspiele zu Bayreuth ohne Wagner. Der Verein hatte sich zum Ziel gesetzt, innerhalb des großen, gesamtdeutschen Wagner-Vereins das Werk des Meisters der Nachwelt näherzubringen. Schon im Jahr 1884 heißt es im Jahresbericht voll Stolz: Der Grazer Zweitverein zählt bereits 140 Mitglieder.
Ab da taucht in den Publikationen und Bayreuther Blättern immer wieder der Name Friedrich von Hausegger als Vereinsobmann auf. Als Autor war er über die Bayreuther Blätter den Wagnerianern im deutschen Sprachraum besonders durch seine später berühmt gewordene Schrift „Die Musik als Ausdruck“ ein Begriff geworden. Diese Schrift war ausdrücklich mit dem Hinweis versehen: „Privatdozent für Geschichte und Theorie der Musik in Graz.“ War doch Hausegger von Beruf Gerichtsadvokat.
Das Duo Hausegger und Hofmann
Das Interesse an der Musik Wagners war enorm in Graz. Bald zählte der Verein 280 Mitglieder. Dem Archiv ist zu entnehmen, dass alle 280 Mitglieder ihre Beiträge auch bezahlten. Hinzu kamen freiwillige Spenden von Mitgliedern, die das Budget vergrößerten. Damit wurde eine Bibliothek begonnen zu gründen und mit den regelmäßigen Überzahlungen einzelner Mitglieder wurden später „Stipendien“ im Sinne Wagners vergeben. Damit konnten bedürftigen Vereinsmitgliedern (Genossen hieß es damals) sogar der Besuch der Festspiele ermöglicht werden.
Die beiden Initiatoren Friedrich von Hausegger und Hofmann bestimmten die Vereinsaktivitäten. Diese bestanden in Vorträgen von Gästen, musikalischen Darbietungen und anschließend einem geselligen Beisammensein. Zu einer jahrzehntelangen Praxis gab es dann Vereinsabende, bei denen einzelne Akte aus Wagner-Opern unter Mitwirkung von Theater-Mitgliedern sowie einiger Vereinsmitglieder und Schüler – begleitet wurden diese von einem Pianisten – zur Aufführung gebracht wurden. Im Archiv heißt es dazu: Es wurden also nicht nur Wagner-stilfähige ausgebildete Künstler herangezogen, sondern auch noch in Ausbildung begriffene oder am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn stehende junge Musiker. Diese erhielten dadurch die Gelegenheit, Wagners Art und Wesen von seinen intimsten Kennern geführt kennenzulernen.
Gedenkjahr (Folge 1)
Blick in die Geschichte
Am 24. November 2023 gedenken wir – die Österreichische Richard Wagner Gesellschaft Graz – der Gründung im Jahre 1873 in einem Festabend an der Kunstuniversität Graz im Florentinersaal des Palais Meran.
Wagner ist tot … verbreitete sich die Botschaft wie ein Lauffeuer
13. Februar 1883, Venedig
„Ein Name, dessen Spur in der Geschichte der Kunst nicht untergehen wird. Als ich gestern die Depesche las, war ich völlig niedergeschmettert. Es entschwindet uns eine große Persönlichkeit“, schrieb Giuseppe Verdi einen Tag später an einen Freund. Richard Wagner war am 13. Februar 1883 in Venedig verstorben. Beide waren 1813 geboren. Verdi sollte Wagner um 18 Jahre (1901) überleben.
Wie in Europa schockte dieser wohl noch nicht erwartete Schicksalsschlag auch die innig-treue Wagnerianer-Gemeinde in Graz. Durfte sich Graz doch rühmen, die erste Aufführung einer Wagner-Oper in Österreich mit Tannhäuser am 20.1.1854 erlebt zu haben. Damit war in Graz der Grundstein zu einer Wagner-Pflege gelegt worden, wie sie sonst fast nur in Bayreuth selbst vorhanden war.
Der von Friedrich von Hausegger 1873 gegründete Wagner Unterstützungsverein zur Errichtung des Festspielhauses in Bayreuth hatte nach der Eröffnung im August 1876 seinen Zweck erfüllt und war „stillgelegt“. Die Wagner-Gemeinde Graz unter Hausegger blieb natürlich bestehen und unterstützte auch die „Bayreuther Blätter“ mit Geldspenden, von denen auch Graz einige Exemplare erhielt. Friedrich von Hausegger und der Komponist Dr. Kienzl veranstalteten in Graz zwischen 1878 und 1882 Wagner-Konzerte und Vortragsreihen.
Blättert man im Archiv der Richard Wagner Gesellschaft, so wird das Interesse für den Komponisten schon Mitte der 1850er-Jahre deutlich: Der laute Streit pro und contra Wagner war über die Alpen gedrungen, auch in Graz waren weite Kreise auf Person und Wirken des musikalischen Neuerers aufmerksam geworden. Der Ruf nach Aufführung seiner Werke ging nicht von der Zunft aus, sondern kam aus dem Publikum. Und da konzentrierte sich das Interesse der musikliebenden Bevölkerung der Stadt Graz ganz vornehmlich auf das am höchsten gepriesene und am heftigsten angegriffene Werk des Meisters, den „Tannhäuser“.
Und so kam es dann in Graz mit dem „Tannhäuser“ zur ersten Aufführung einer Wagner-Oper in den Staaten Österreichs. Es war am 20. Jänner 1854, an einem Freitag. Der Premierentag des 20. Jänner 1854 war bewusst gewählt. Es war der Geburtstag des steirischen Prinzen Erzherzog Johann. Dieser feierte damals seinen 72. Geburtstag.
Die Vorstellung am Theater in Graz begann um halb sieben Uhr abends. Ihre Dauer war mit drei Stunden angegeben. Alle Preisbegünstigungen waren aufgehoben. Die Vorstellung war ausverkauft. Man kann sich denken, welche Diskussionen in den Kreisen der Gebildeten die bevorstehende Aufführung des „Tannhäuser“ hervorrief. Gerade an diesem Werke hatte sich der Kampf um die von Wagner verkündeten Kunstprinzipien entzündet. „Tannhäuser“ war das bewundertste und umstrittenste Werk seiner Zeit. Man hielt es daher für notwendig, das Publikum für das Werk entsprechend vorzubereiten.
Plante Besuch in Graz: Richard Wagner (1813-1883)
An vier Tagen – nämlich am 14., 15., 17. und 18. Jänner – bereitete die Grazer Zeitung für ihre Leser und das Publikum die Handlung und Musik des „Tannhäuser“ mit umfangreichen Berichten auf. Es war dies gleichsam der Vorläufer der später üblich gewordenen sogenannten „Einführungen“. Der „Tannhäuser“-Erfolg war gewaltig, denn es folgten acht Aufführungen in Serie.
In seinem Tagebuch hält Erzherzog Johann fest: „… Abends ins Theater, den ,Tannhäuser’ von Wagner sehen. Hübsche Dichtung, so gut, wie es hier möglich ist, aufgeführt. Die Chöre schön, kräftig, die Musik übrigens sprach mich nicht an. Einmal zu sehen für mich genug!“
Dass der 72-Jährige kein echtes Verhältnis mehr zu Wagners Musik finden konnte, ist ohne weiters begreiflich. Dennoch war er dann trotzdem noch einmal zu einer „Tannhäuser“-Vorstellung im Landschaftlichen Theater in Graz – und das war am 24. November 1855. Da heißt es in seinem Tagebuch: „Tannhäuser, eine deutsche Musik, schöne Chöre, das Übrige sprach mein Gemüt und Gehör nicht an.“
Szenenfoto aus der Oper "Tannhäuser", erste Nachkriegsinszenierung am Landestheater Eisenach 1952. Foto: Wikimedia / Thüringer Landestheater Eisenach
Das große Wagner-Konzert von 1873 in Graz
Das Interesse an Richard Wagners Schaffen nahm auch in den nächsten beiden Jahrzehnten stark zu. Der Komponist feierte mit seinen Opern große Erfolge. Das Jahr 1872 war dann von einer gleichsam Wagner-gesättigten Atmosphäre erfüllt. Überall im deutschsprachigen Raum entstanden zwecks Bauförderung des Festspielhauses in Bayreuth die sogenannten „Wagner-Vereine“. Wagner selbst war es, der zur Stärkung des Baufonds und um für sein Unternehmen Propaganda machen zu können, an verschiedenen Orten von ihm persönlich geleitete Konzerte veranstaltete.
Zu einem solchen Konzert kam es auch in Wien, vom dortigen Wagner-Verein in Szene gesetzt. Es war dies der 12. Mai 1872, also unmittelbar vor der Grundsteinlegung des Festspielhauses. Das Konzert gestaltete sich zu einer grandiosen Huldigung für den genialen Schöpfer des modernen Musikdramas, heißt es im Archiv. Das lebhafte Interesse der Grazer an diesem Ereignis spiegelt sich auch in den umfassenden Berichten, die hierüber in Graz erschienen.
Wie eine Bombe schlug dann die Nachricht des Tagespost-Abendblattes am 24. Dezember 1872 in Graz ein: „Der Grazer Musikerbund will mit Ende Februar ein Konzert geben, in welchem ausschließlich Tondichtungen von Richard Wagner aufgeführt werden sollen.“ Daran war die Bemerkung geknüpft, Frau Cosima Wagner habe brieflich das Erscheinen ihres Gatten zugesagt, der hier in Graz zwei Fragmente aus „Walküre“ persönlich dirigieren werde.
Diesem war ein Briefverkehr des Grazer Musikerbundes vorangegangen. In Absprache mit maßgebenden Persönlichkeiten der Stadt Graz hatte man sich nach Bayreuth gewandt, um dort den Plan eines Grazer Wagner-Konzerts zur Kenntnis zu bringen. Und gleichzeitig stellte man die Bitte um eine persönliche Teilnahme des Meisters und fügte dem hinzu, in Graz wie auch in anderen deutschen Städten einen Bayreuther Patronanz-Verein gründen zu wollen.
"Tannhäuser-Prmiere" 1854 zu Erzherzog Johanns Geburtstag
Cosima Wagner schrieb dann im Auftrag ihres Mannes nach Graz zurück: „Geehrter Herr! Übermäßig beschäftigt ersucht mich mein Mann, Ihnen zu sagen, dass er keine Partitur des Feuerzaubers besitzt, da es ihn aber sehr freut, von einem Wagner-Verein in Graz zu hören, so macht er Ihnen folgenden Vorschlag: Gegen Ende Februar wird er in Wien sein und von da nach Graz gern kommen, die Stimmen des Feuerzaubers mitbringen und selbst dieses eine Stück dirigieren, wenn es Ihnen möglich gewesen ist, bis dahin ein Konzert zugunsten der Unternehmung in Bayreuth zu ganz ungewöhnlichen Preisen zu veranstalten (nur aber unter letzter Bedingung, da er jetzt seine Kräfte einzig dieser Unternehmung widmet). Mein Mann freut sich sehr, Graz kennen zu lernen und indem er hofft, dass bis dahin der Verein recht lebenskräftig sich bewährt haben wird, sieht er dem Ende Februar mit Vergnügen entgegen, bittet Sie aber, genau ihm wissen zu lassen, ob Sie ungefähr sich so hoch – materiell, wie die Wiener versteigern können, da er mit seiner Zeit und seinen Kräften sparsam umgehen muss. Dem freundlichen Gruß meines Mannes füge ich die Versicherung meiner Hochachtung bei.“
Doch der Meister enttäuscht und kommt nicht
Die begeisterte Ungeduld der Grazer Wagner-Freunde für den Besuch des großen Meisters erhielt aber einen Dämpfer. Durch einen weiteren Brief von Richard Wagner, geschrieben von seiner Frau Cosima, in dem Wagner darauf drängte, dass der Unterstützungsverein für den Bau des Festspielhauses in Bayreuth unbedingt noch vor dem Konzert erfolgen sollte. Der damalige Dirigent des Musikerbundes in Graz Dr. Hans Weiss bat die Wagners um Übermittlung der Partitur des Feuerzaubers, das man beim Konzert in Graz aufführen wollte. Cosima Wagner sicherte dann diese Übermittlung zu, aber es gab auch eine ganz klare Voraussetzung dafür. Sie schrieb in einem Brief: „Es wäre aber schön, wenn Sie nicht bis zum Konzert warteten, um den Wagner-Verein zustande zu bringen, der dann durch meines Mannes Anwesenheit wohl befördert werden würde, aber zuerst doch existieren muss. Es ist möglich, dass wir erst Mitte oder Ende März kommen können, je nachdem sich unsere Reisepläne entscheiden.“
Es ging Cosima Wagner darum, schlicht und einfach auch die Werbetrommel für die finanzielle Unterstützung zum Bau des Festspielhauses in Bayreuth zu rühren. „… ist dieses Werk ein wenig gediehen, so wird das Konzert umso mehr Früchte tragen.“
Doch die Ungewissheit von Wagners Erscheinen in Graz lähmte die Bemühungen der Anhänger des Meisters keineswegs. So hatte man veranlasst, dass der Wagner-Freund Professor Hoffmann aus München Anfang des Jahres 1873 nach Graz kam und hier Vorlesungen über dessen poetisches Schaffen, besonders die vier Dichtungen zu den „Nibelungen“, hielt. Friedrich von Hausegger empfahl diese Vorträge in einem „Tagespost“-Artikel aufs Wärmste und mit dem damals sensationellen Hinweis, dass der Meister selbst demnächst Bruchstücke seiner „Nibelungen“ in Graz zur Aufführung zu bringen gedenke.
Graz mit "Tannhäuser"-Aufführung schon ab 1854 eine Wagner-Stadt
Während also die Konzertvorbereitungen des Musikerbundes im vollen Gang waren, arbeiteten die Grazer Wagner-Freunde auch intensiv daran, die von Richard Wagner selbst geforderte Gründung des Patronanz-Vereins für das Bayreuther Festspielhaus voranzutreiben.
Am 8. Februar 1873 liest man in der „Tagespost“, dass die K.K. Steiermärkische. Statthalterei die Statuten des Wagner-Vereines, dessen Zweck die Förderung der Aufführung des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner in Bayreuth bescheinigt ist. Als Obmann des Gründungskomitees dieses Vereins ist Dr. Friedrich von Hausegger genannt. Sonderbarerweise, so heißt es in den historischen Quellen, traten die Proponenten dieser Vereinsgründung erst einen vollen Monat später mit einem „Aufruf zum Eintritte in den Grazer Wagner-Verein“ in die Öffentlichkeit.
In diesem Aufruf heißt es unter anderem: „Die Unterzeichnenden haben sich entschlossen, dem Beispiele der Gesinnungsgenossen in allen größeren Städten Deutschlands folgend, auch in Graz einen Wagner-Verein ins Leben zu rufen. Sie richten nun an die landesgenössischen Freunde und Schätzer der Kunstwerke Richard Wagners die Aufforderung, diesem Verein beizutreten … die Unterzeichnenden erkennen es als eine Pflicht der deutsch-österreichischen Freunde der Wagnerischen Kunst, im Bunde mit den gleichgesinnten Genossen aus den übrigen deutschen Stämmen für diese nationale Sache einzutreten.“
Und mit dem Hinweis auf die Wiener Weltausstellung im Jahr 1873, die für die Habsburger Monarchie zur nationalen Ehrensache erklärt wurde, schreiben Friedrich von Hausegger und Freunde: „Sollen wir da zögern, unser Scherflein dort beizutragen, wo ein anderes Kulturwerk entstehen soll, das mehr als irgendeines dazu geeignet ist, ein leuchtendes Denkmal deutschen Geistes zu sein.“
Zehn Tage später veröffentlichte die „Tagespost“ die Statuten des Grazer Wagner-Vereins. Im Anzeigenteil gab es die Nachricht, dass die konstituierende Versammlung des Grazer Wagner-Vereins am 20. April um halb zwölf Uhr vormittags, im Saale des Musikvereins, Burgasse Nr. 9, stattfinden werde. Über die erfolgte Gründung des Vereines, zu dessen Obmann dann Dr. Friedrich von Hausegger gewählt wurde, liegt auffallenderweise kein Bericht vor.
In Briefen drängte sie auf rasche Gründung des Wagner-Vereins. (Original photo taken on 9th of May 1872 in Vienna by Fritz Luckhardt 1843-1894. Foto: Commons Wikimedia)
Absage des Meisters für Graz-Besuch blieb geheim
Als der Dirigent des Musikerbundes Dr. Hans Weiss brieflich eine drängende Bitte an Cosima Wagner und ihren Mann richtete, man möge doch den Zeitpunkt für das Konzert in Graz endgültig festlegen, erhält dieser eine niederschmetternde Antwort. Nämlich die Absage des bereits vereinbarten Besuchs von Richard Wagner in Graz.
Der Meister begründete dies in seinem Brief damit, dass die großen Anstrengungen im Zusammenhang mit dem Bau des Festspielhauses in Bayreuth ihn dazu zwingen würden, mit seinen Kräften sparsamer umzugehen. Im Jänner 1873 war eine anstrengende Konzertreise nach Dresden, Berlin, Hamburg, Schwerin und wieder Berlin erfolgt. Anhaltende Ermüdungszustände und Schlaflosigkeit waren die Folge der Überanstrengung. Und schon standen weitere Konzerte auf dem Programm: Köln, Mainz, Wien, London. Überall wollte man dem großen Meister von Bayreuth helfen. Und in diesem Konzert der großen Städte war eben Graz eine entlegene, österreichische Provinzstadt. Dort winkten auch offensichtlich weit größere Einnahmen für sein Bayreuther Festspielhaus. Wiewohl, das muss man auch hinzufügen, sich seine Erwartungen nicht überall wirklich erfüllten.
Die Absage Richard Wagners wagte man nicht dem Grazer Publikum sofort mitzuteilen. Erst nach einem vollen Monat, im Abendblatt vom 13. März 1873, brachte die „Tagespost“ unter den Grazer „Provinzialnachrichten“ die nachstehend wiedergegebene Notiz:
Der vor einiger Zeit unserer Stadt in Aussicht gestellte Besuch Richard Wagners zum Berufe der persönlichen Leitung eines Konzerts entgeht uns für diesmal (!), da den neuesten Nachrichten zufolge Richard Wagner wegen der in letzter Zeit gehabten Anstrengungen genötigt ist, die Bereisung der österreichischen Staaten und seinen Besuch in Graz bis zu einem günstigeren Zeitpunkte zu verschieben. Nichts desto weniger findet das vom Grazer Musikerbunde veranstaltete Wagner-Konzert nunmehr definitiv am 30. März des Jahres Mittags 12 Uhr, im Stadttheater, statt. Das Reinerträgnis ist gemäß einer Übereinkunft zwischen dem Grazer Musikerbunde und dem kürzlich entstandenen Wagner-Verein in Graz zur Hälfte dem Bayreuther Unternehmern, zur Hälfte der Unterstützung hilfsbedürftiger Musiker gewidmet. Dieser Doppelzweck, das größere Orchester, sowie das interessantere Programm, welches mehrere hier noch unbekannte Werke Richard Wagners enthält und demnächst veröffentlicht werden wird, dürften wohl dem Konzerte eine besondere Anziehungskraft verleihen. Rasch war es gelungen, einige hervorragende Damen aus der Grazer Gesellschaft für ein Patronat des Konzertes zu gewinnen. Diese illustren Damen nahmen nun die Stelle Wagners ein und konnten so das Interesse des Publikums wachhalten.
Auch ohne die Anwesenheit des Meisters ein triumphaler Erfolg.
Letztlich ist es den Wagnerianern in Graz gelungen, diese gefährliche Klippe glücklich zu umsegeln. Und sie haben sich nicht gescheut, die Lage der Dinge und den Missmut in Bayreuth zu Gehör zu bringen. Darauf lässt ein Wagner-Brief, eine Woche vor dem Konzert geschrieben, schließen. Dort heißt es:
Sehr geehrter Herr (von Wagner persönlich geschrieben), es gemahnt mich, den Missmut zu zerstreuen, der über meine Grazer Freunde in meinem Betreff gekommen sein möchte. Halten wir meine ursprüngliche Zusage fest, in einem vom Grazer Wagner-Vereine zu gebenden Konzert, als Schlussnummer das gewünschte Bruchstück aus der „Walküre“ selbst zu dirigieren, so erbiete ich mich Ihnen, von Wien aus, wo vermutlich im Juni eine größere Aufführung vor sich gehen soll – zu dem angegebenen Zwecke Sie zu besuchen. Demnach hiefür alles Nähere seiner Zeit, wenn Ihnen dies nicht zu spät dünkt – angeordnet werden möge. Verzeihen Sie meiner notgedrungenen Kürze, und verbleiben Sie der größten Hochachtung versichert, mit welcher bin. Ihr ergebener Richard Wagner.
Seinen guten Willen betreffend eines im Juni 1873 zu veranstaltenden Grazer Konzertes konnte der Meister übrigens nicht zur Tat werden lassen. Er kam erst wieder im Dezember desselben Jahres in die Donaulande, natürlich in das ihm schon vertraute Wien. Zu einer Konzertreise nach der weiß-grünen Mark bot sich ihm aber damals, wie leider auch später, keine Gelegenheit mehr. Richard Wagner war ein Rastloser und Ruheloser. Es gab zu seiner Zeit in Europa noch keines der modernen Verkehrsmittel des 20. Jahrhunderts. Und dennoch bereiste er innerhalb eines halben Jahres mehr als 50 Städte in Mitteleuropa.
Meilenstein am 30. März
Es war an diesem 30. März 1873 kein gewöhnliches Konzert, sondern ein mit vieler Sorgfalt vorbedachtes und vorbereitetes musikalisches Unternehmen, schreibt der Chronist. Ein Meilenstein für die Geschichte des Richard-Wagner-Vereins. Wie in den Archiven nachzulesen ist, war das Stadttheater als Veranstaltungsort ausverkauft – trotz der ungewöhnlich hohen Preise. Aber Friedrich von Hausegger zeigte sich nicht überschwänglich, sondern versuchte als Musikkritiker in der „Tagespost“ Distanz zu wahren: Er könne der Ausführung des Konzerts nicht in allen Punkten die Anerkennung aussprechen, aber er anerkenne freudig die gute Absicht. Und (an anderer Stelle): Der Dirigent werde wohl selbst erkannt haben, dass es eine sehr schwierige Sache sei, „der Tonsprache eines Orchesters mächtig zu sein und in ihr Gedanken und Empfindungen eines Beethoven und Wagner ausdrücken zu wollen“.
Trotz Wagners Fernbleiben war es ein ungeheurer Erfolg. Ein damaliger Besucher überschwänglich: „Von dem Momente an, da erstmals im Grazer Stadttheater die ekstatischen, wundervollen Klänge des Tristan-Schlusses ertönten, gab es keine Möglichkeit mehr für die Gegner des Meisters, durch ihre leidenschaftliche Verdammungsurteile, durch ihren verbissenen Hohn und hämischen Neid die Rezeption des wagnerischen Kunstwerkes in unserem Lande zu verhindern oder auch nur ernstlich zu stören.“
Teil 3
Wer war eigentlich Friedrich von Hausegger
Der Komponist Richard Wagner, der steirische Reformer Erzherzog Johann oder der bis heute geschätzte Dichter und Schriftsteller Peter Rosegger – das sind historische Persönlichkeiten. Deren Wirken können wir noch heute zuordnen. Schwer tun wir uns hingegen, uns ein Bild von Menschen zu machen, die zu ihren Lebzeiten anerkannt, in ihrer Stadt, in ihrem Land „berühmt“ waren, mit deren Tod aber bald in Vergessenheit gerieten. Ein solcher „Vergessener“ ist Dr. Friedrich von Hausegger. Sein Tod am 23. Februar 1899 löste nicht nur in Graz, wo er lebte, sondern auch darüber hinaus, in Wien und in der deutschen Musikwelt, Betroffenheit aus. Seine Werke als Musikschriftsteller hatten ihn im In- und Ausland zu einer Berühmtheit gemacht.
Sein Urenkel Siegmund von Hausegger, der in Deutschland lebt und selbst Cellist ist: „Sein Werk über die Ästhetik der Musik ist noch heute anerkannt.“
In einem Nachruf, der in Graz erscheinenden „Tagespost“ hieß es zum Tod von Friedrich von Hausegger:
„Graz war stolz auf seinen Hausegger, dessen Namen in ganz Deutschland den ehrenvollsten Klang hat. Der Ruhm Hauseggers war jenseits der Grenzen unseres engeren Vaterlandes so groß, dass, wenn er in Städten des Deutschen Reichs sich aufhielt, die Künstler und Gelehrten ihm ehrenvolle Geste gaben. Einem Teil seiner Mitbürger wird es vielleicht erst jetzt zum Bewusstsein kommen, dass in ihrer Mitte einer der Auserwähltesten unter den Berufenen still und bescheiden seines Weges geschritten ist.“
Im „Grazer Tagblatt“ vom Abend des 24. Februar 1899 ist die folgende Beschreibung zu lesen:
„Als Bahnbrecher des neuen künstlerischen Evangeliums Richard Wagners zählte Hausegger zu jenen Mitgliedern der Wagner-Gemeinde, bei denen die Überzeugung mit dem tiefsten innersten Verständnis zusammenklingt. Die Wagner-Sache hatte bisher keinen trefflicheren Vertreter. Hunderte von guten lebendigen Überlieferungen werden sein Andenken unsterblich erhalten. Als Rechtsanwalt oblag er mit eisernem Pflichteifer den Obliegenheiten einer bedeutenden Kanzlei; an der Universität wirkte er, der bedeutendste Musikgelehrte Österreichs, als Privatdozent; tiefgründige philosophische Werke überliefern seinen Namen der Nachwelt; der Grazer Richard Wagner-Verein verliert in Hausegger seinen Gründer und seine Stütze; alle künstlerischen Vereine und Kreise, zahlreiche Wohltätigkeitsanstalten und sachgenössische Unternehmungen trauern um ihren nimmermüden Förderer.“
Am 20. April 1873 gründeten Friedrich Hausegger und Freunde den „Grazer Richard Wagner-Verein“. Gemeinsam mit Wilhelm Kienzl (im Bild,Friedrich Bruckmann), dem Komponisten des Evangelimans sowie dem Architekten Friedrich Hofmann.
Friedrich von Hausegger war auch als Schriftleiter des „Grazer Tagblatts“ tätig. Graz war also ein guter Boden für Richard Wagners Musik. Hier kam es 1854 zur ersten Aufführung des Tannhäuser in den deutschen Ländern überhaupt. Am 20. April 1873 gründeten Friedrich Hausegger und Freunde den „Grazer Richard Wagner-Verein“. Gemeinsam mit Wilhelm Kienzl, dem Komponisten des Evangelimans sowie dem Architekten Friedrich Hofmann. Vereinszweck war damals die Unterstützung für den Bau des „Festspieltheaters“ in Bayreuth durch Geldspenden. Richard Wagner selbst „tourte“ in diesen Jahren rastlos durch Europa und warb um Unterstützung. Nach der Eröffnung am 13. August 1876 und den ersten Bayreuther Festspielen war der Vereinszweck erfüllt und der Verein wurde aufgelöst.
Richard Wagners Kompositionsstil polarisierte von Beginn weg und um das Werk des Bayreuther Meisters weiterhin zu unterstützen, entschloss man sich den alten Wagnerverein wieder auferstehen zu lassen, was in der Form einer Neugründung geschah. Diese erfolgte am 18. März 1883. Der Obmann des neugegründeten Vereines waren wieder Dr. Friedrich von Hausegger, bis zu seinem Tode 1899. Ihm folgte dann der Architekt Friedrich Hofmann, später dann Richard Görner.
Wie einflussreich Friedrich von Hauseggers Wirken war, zeigten auch andere Aktivitäten. So war er Gründungsmitglied der Wiener Künstlerverbindung Wartburg (1864, Präsident 1865), im Grazer Singverein tätig und war auch Mitglied des Direktoriums des Steyermärkischen Musikvereins. Er leitete die Vereinsschule und führte Reformen im Sinne seiner auf die Persönlichkeitsentwicklung ausgerichteten und durch das Vorbild Richard Wagners beeinflussten Ästhetik durch.
Seine Herkunft
Friedrich Johann Thomas von Hausegger kam als Sohn des später zum Hofrat ernannten Försters Sigmund Hausegger und dessen Frau Wilhelmine im Kärntner Lavanttal zur Welt. Seine Schulzeit (1842–1849) verbrachte er zunächst in Lemberg (Lwiw/Ukraine), anschließend bis zur Matura 1855 in Wien. 1855–1859 studierte er Rechtswissenschaften in Ofen (Budapest) und Wien und promovierte schließlich 1861 zum Dr. jur. an der Universität Graz. Ab Mai 1865 hatte er seinen Wohnsitz in Graz, wo er als Rechtsanwalt arbeitete und ab 1869 eine eigene Kanzlei führte. In dieser Funktion setzte er sich auch für sozial Bedürftige und ungerecht Verfolgte ein, was ihm den Beinamen "Armendoktor" eintrug. Neben seiner Berufstätigkeit studierte er bei dem Dirigenten Felix Otto Dessoff (1835–1892) sowie bei Karl Gottfried Salzmann (1797–1871) Komposition und Musiktheorie. Bereits 1868 bemühte er sich mit seiner Schrift "Die Instrumentalmusik und das Programm" um Habilitierung als Privatdozent an der philosophischen Fakultät der Universität Graz. Die venia legendi für "Geschichte und Theorie der Musik" erlangte er allerdings erst 1872 mit seiner zweiten Habilitationsschrift "Musik und Sprache". Er gilt als Begründer der musikhistorischen Disziplin in Graz. In der Folge lehrte Hausegger, dieses Fach als Privatdozent. Zu seinen bedeutendsten Schülern zählte der Komponist Wilhelm Kienzl (1857-1941).
Freundschaft mit Peter Rosegger
Nur einem kleinen Kreis von Wissenschaftlern und Forschern ist bekannt, dass der als Schriftsteller und Dichter im deutschen Sprachraum zu seiner Zeit berühmte Peter Rosegger und Friedrich von Hausegger eng befreundet waren. So widmete Peter Rosegger in seiner Monatsschrift „Heimgarten“ im Mai des Jahres 1899 unter dem Titel „Auch einer“ einen umfassenden Nachruf. Darin heißt es: „Vor 20 und so viel Jahren sah ich ihn das erste Mal in der Herrengasse zu Graz. Er fiel auf durch sein reiches, langes Haargelocke, das über Nacken und Schulter wugte.“ Und es heißt in seiner Beschreibung weiter: „Mir ist dieser Mann wie ein Gottesgeschenk in mein Leben getreten und zum Segen geworden. Er war in vielfacher Weise mein Herzensvertrauter und Ratgeber.“
Peter Rosegger, ein später Anhänger der Musik von Richard Wagners. (Fotograf: F. J. Böhm, undatiert, Universalmuseum Joanneum, Multimediale Sammlungen)
Im Krug zum Grünen Kranz
Peter Rosegger berichtet dann: „Seit vielen Jahren versammelten wir mehrere Freunde uns mit Hausegger jeden Freitag im Krug zum Grünen Kranz zu einer Tischgesellschaft. Da gab es Musiker, Bildhauer, Architekten, Poeten, Schulmänner, deren Weltanschauungen miteinander oft in muntere Wortgefechte kamen – die, falls sie zu temperamentvoll werden wollten durch Hausegger stets in gutes Gleichgewicht gestellt zu werden pflegten. In den ersten Jahren haftete das Gespräch der Majorität vorwiegend auf Musik, dadurch entstand eine kleine Oppositionspartei, die allmählich anhub, zynisch ihre antimusikalischen Gefühle auszulassen. Zu dieser gehörte auch ich, mich besonders über die Wagnersche Musik ereifernd, die, schlecht zu Gehör gebracht, einen auf Gassen und Straßen in Haus und Konzertsaal verfolgte, ohne dass man sich vor ihr schützen könne. Einer der anwesenden Wagner-Jünger glühendster Gattung (Friedrich von Hofmann) wurde durch solchen Frevel ins Herz getroffen. Entrüstet verließ er die Tischgesellschaft und ist nie wieder erschienen. Anders Hausegger. Er bestrebte sich mit aller Milde und Güte mit allen bildlichen und geistigen Mitteln der Belehrung, mich mit dem Verständnisse Wagners näher zu bringen.“ Rosegger wurde ungeduldig und unwirsch: „Was ich dafür könnte, dass mein Ohr anders geartet sei, als das seine. Und dass mir die Wagnersche Musik nur allzu oft in den Ohren weh tue.“
„Roseggers Bekehrung“
Doch wie Peter Rosegger schreibt, ließ sich Friedrich von Hausegger nicht beirren und arbeitete „Woche für Woche, Jahr für Jahr gelassen“ an Roseggers Bekehrung. Er behauptete, Roseggers ganze Natur nach stünde er Wagner viel näher, als er selber wisse oder zugestehen wollte. So mancher glaubte sich weit von Wagner entfernt zu sein, bloß weil er ihn nicht sehe. Es sei aber nur eine dünne Scheidewand und dazwischen und diese könne plötzlich fallen. Und so war es dann. Rosegger in seinem „Heimgarten“-Nachruf: „Bei einer großartigen Aufführung der Meistersinger ging mir das Licht auf. Als ich noch am selben Abend an Hausegger schrieb, das Loch ist offen, ich sehe in den Himmel hinein, kam er zu mir und dankte freudig, als wäre ihm eine große Wohltat erwiesen worden. Seit dieser Zeit war die Herzlichkeit, die er mir stets geschenkt, zur völligen Zärtlichkeit geworden und er meinte, auch meine frühere Abneigung gegen Wagner-Musik sei reiner Wagnerianismus gewesen. Es hätte mich einfach die schlechte Wiedergabe empört. Immer verdächtig seien ihm jene Leute, die bei jedem Musikstück verzückt die Augen aufschlügen, nur weil sie wüssten, es wäre von Richard Wagner. Vollkommen könne man Wagner nur in Bayreuth kennenlernen …“
Friedrich von Hausegger war, wie man von Peter Rosegger, seinem Freund, erfährt, in späten Jahren ein Vegetarier. Hausegger selbst behauptete, die vegetarische Kost habe ihn gesund gemacht. Davor hatte er schwere gesundheitliche Probleme. Rosegger schreibt: „Auf körperliche Nahrung legte Friedrich von Hausegger ja nie viel Gewicht. Ihm schien geistige Speise auch für den Körper nahrhaft zu sein. Während er manchmal noch um zwei Uhr mittags nüchtern war, nahm er schon vom frühen Morgen an schwere, tiefsinnige Lektüre in sich auf und sein Tag war bis in die späte Nacht hinein eine strenge, ununterbrochene Geistesarbeit.“ Er zitiert dann Friedrich von Hausegger, der sagt: „Unter normalen Verhältnissen stirbt der Mensch nicht, so lange er leben will. Erst wenn durch Krankheit oder Alter oder eine moralische Depression die Lebensenergie aufhört, dann wird’s aus.“ Roseggers Nachbemerkung: „Zwei Monate später war Hausegger tot.“
Über 15 Jahre hinweg ging der Briefverkehr zwischen Peter Rosegger und Friedrich Hausegger. Was war es nun, was Peter Rosegger so stark zu diesem Manne zog, ihn, dessen Werdegang vom Waldbauernbuben, Hirtenjungen und Schneiderlehrling zum berühmten Schriftsteller so ganz anders als der Hauseggers verlief? Peter Rosegger über sich selbst: „Ich kann meine Gedanken nicht aus Tradition entziehen, wie der Gebildete. Sondern sie entstehen nach Leben und Erfahrung in mir selbst, so als hätte vor mir noch niemand gedacht.“
Rosegger bezeichnete sich selbst auch als unmusikalisch und beklagt diesen Zustand. Der Musik verdanke er nur selten tiefergehende Eindrücke und auch dann waren sie mehr schöne Erinnerungen als rein künstlerischer Genuss. Ganz anders hingegen der Bildungsweg von Friedrich von Hausegger. Seine universelle Geistesbildung im Götschen Sinne, sein unbeirrbarer Idealismus, der sich mit praktisch organisatorischer Begabung verband und der die Dinge dieser Welt sicher zu meistern wusste. Das beeindruckte Peter Rosegger. Hausegger wiederum erblickte in Peter Rosegger die Erfüllung dessen, was ihm versagt geblieben war: Den schöpferischen Künstler, dessen Seele sich frei über alle Gebundenheiten des Zeitlichen aufschwingt, um sich im Fluge zu erobern, wie Hausegger es ausdrückte, was für die anderen ein Ergebnis harten Ringens ist.
Dieses Gegensätzliche führte zu einer fruchtbaren Wechselwirkung und festigte ihre Freundschaft im Laufe der Jahre. Beide waren sich einig in ihrer deutschnationalen Gesinnung und Einstellung. Friedrich von Hausegger lehnte zum Beispiel die Kandidatur, die ihm nahegelegt wurde, für ein Reichsratsmandat ab. Er sagte damals: „Ich habe mich stets nur in mir selbst gesucht und nicht außen und bin vollständig frei von allem politischen Ehrgeiz.“
Als Rechtsanwalt verdiente Hausegger gerade so viel, sich und seine Familie zu ernähren. Hausegger war diejenigen „Fälle“ die Liebsten, in denen er Unbemittelten, ungerecht Verfolgten mit seinem Rate beistehen konnte, was ihm auch den Ehrennamen des „Armendoktors“ eintrug. Und doch stand in der vordersten Reihe, wenn es galt, standesgemäß von allgemein menschlicher Bedeutung zu vertreten. Um den kleinen Sparern, ja nicht gerade unaktuell, Gelegenheit zu vorteilhafter Anlage ihres Vermögens zu bieten, gründete er die nach seinen eigenen Ideen eingerichtete „Erste Steiermärkische Selbsthilfegenossenschaft“, die sich bald zu einem angesehen Institut entwickelte. Für die damals nur wenig gewürdigten Raiffeisen-Darlehenskassen trat er mit einer Schrift „Zur Abhilfe des bäuerlichen Notstandes“ in Vorträgen ein.
Freunde bis zum Ende
Im Folgenden einige Briefe, die zeigen, wie eng Peter Rosegger und Friedrich von Hausegger befreundet waren.
Graz, 26. April 1897, Lieber Freund!
In gehobener Stimmung bringe ich dir heute meinen herzlichen Glückwunsch zu deinem sechzigsten Geburtstage. Du begehst denselben in der Jugendfrische des Geistes und des Herzens. Beifolgend als geringes Ungebinde eine Fruchtschale, die dir das Geschick noch viele Jahre füllen möge mit den schönsten Früchten des Lebens! Ich danke dir für deine Freundschaft und bitte dich, dieselbe auch in Zukunft zu schenken, deinem treuen
Peter Rosegger
Graz, 26. April 1897, Lieber Freund
Was ist dir denn eingefallen? Wie verdiene ich denn das? Freilich, der Wert des kostbaren Geschenkes erhöht sich dadurch, dass ich es nicht verdiene. „Ewig heute!“ War das nicht das gemeinsame Ergebnis unseres jüngsten philosophischen Gespräches? Es gibt keine Vergangenheit, das ist nur Illusion; es gibt keine Zukunft, das ist nur Kombination; das wirklich Reale ist nur das „Heute“ der Augenblick nur der Gegenwart, welcher sich allerdings von Erinnerung und Erwartung belastet zeigt; in ihm läuft alles zusammen, was vermeintlich war und vermeintlich sein wird. Könnten wir uns zur Allerinnerung und Allerwartung aufraffen, so würden wir damit wieder zum Bewusstsein kommen, dass doch alles eigentlich nur unsere Vorstellung ist, dass wir alles selbst machen und dass es uns nur als Außending, Außenwelt, Vergangenheit und Zukunft gegenübertritt, weil wir so eingeschränkt sind in unserer Erkenntnis, dass wir nur aus einer kleinen Lücke unseres Wesens herausleben können.
Eines können wir aber trotz allem mit voller Gewissheit als „immer heute“ erfassen: Dass wir uns nämlich immer gut sein werden. Ich dir wenigstens gewiß! Ich bilde mir ein, dass wenige im Stande sind, dir so recht in die Seele zu schauen, als ich. Wenngleich unsere Ansichten oft verschieden sind nach unserem Entwicklungsgange, so hfinde ich doch in unserer Empfindungsweise viel Verwandtes.
Herzlichen Dank nochmals für deine Gabe, die mich fast erdrückt, und für deine Freundschaft, die mich stets erhebt! Zähle stets auf mich! Den treuer Fritz von Hausegger
Graz, 21. Februar 1898, Lieber Freund!
Am vorigen Samstag hat die Scheidewand zwischen Richard Wagner und mir einen großen Sprung bekommen, und ein breites Loch, durch das mir der ganze Himmel der „Meistersinger“ entgegenleuchtete.
Am nächsten Freitag komme ich wegen Wienerfahrt nicht in den Krug. Herzlich dein Rosegger
Graz, 22. Februar 1898
Prosit! Nun werden wir uns besser noch verstehen! Dir haben’s die Meistersinger angetan, einem anderen „Tristan“, wieder einem anderen „Parzifal“ oder „Der Ring“; bezwingen wurden doch alle, die offenen Sinnes und warmen Herzens sind. Hat er dich erst beim Finger, so hat er auch schon die ganze Hand. Herzlichen Gruß, dein Dr. Hausegger
Graz, 24. Dezember 1898, Lieber, Guter!
Ich danke dir recht herzlich für deine sinnige Weihnachtsgabe an meine Frau! Sie wird heute Abend damit überrascht werden, weiß daher noch nichts davon. Ich bin ein glücklicher Mensch, wenn’s nur so bleibt. Vor allem macht mich deine liebe treue Freundschaft glücklich. Dann habe ich eine schöne Weihnachtsgabe in einer Besprechung meiner dir bekannten Schrift: „Die künstlerische Persönlichkeit“ erhalten, in der Deutschen Literaturzeitung aus der Feder des namentlich auch von Gurlitt besonders hochgeschätzten Kunsthistorikers Ernst Große, bis alles Maß dessen, was ich je erwarten durfte, überbietet. Lass dich an mein Herz drücken! Du weißt ja auch, was das heißt, glücklich sein, und dass man es nur sein kann, wen man das Talent hat, auch unglücklich zu sein.
Dein aufrichtiger Hausegger
Graz, 1. Jänner 1899, Lieber Freund!
Also auch du! Ich liege seit dem heiligen Abend im Bett an deiner heftigen grippeartigen Krankheit, die der Arzt nicht näher bezeichnen kann. Nun höre ich, dass auch du seit einer Woche krank bist; da wir beide nicht schreiben können, so sind wir auf die Güte unserer Hausgenossen angewiesen, wenn wir voneinander hören wollen. Der erste, der gesund ist, soll zum anderen kommen.
Heil Neujahr! Rosegger
Friedrich von Hausegger stirbt am 23. Februar 1899. Er war wenige Wochen vor Weihnachten im Jahr 1898 plötzlich erkrankt. Er war bereits auf dem Weg der Besserung, hatte das Krankenlager bereits verlassen, als er einen Rückfall erlitt, von dem er sich aber wieder zu erholen schien. Sein Tod kam aber dann letztlich für seine Freunde und seine Umgebung überraschend schnell. Er wurde 62 Jahre alt. Die letzte schriftliche Arbeit als Musikkritiker war nach einem Besuch eines Konzerts im Steyermärkischen Musikverein über das Symphonische Werk von Richard Strauss „Tod und Verklärung“. In der Abendausgabe des Grazer Tagblatt vom 24. Februar 1899 heißt es abschließend: „Aus Bayreuth, wo Friedrich von Hausegger stets ein willkommener Gast war, war erst heute wieder von Frau Cosima Wagner eine telegrafische Anfrage über das Befinden des Erkrankten eingetroffen.“
Der Briefwechsel zwischen Peter Rosegger und Friedrich von Hausegger gewährt aber tiefe Einblicke in das gesellschaftliche Leben der damaligen Zeit (Staackmann Verlag, 1924).
Die Österreichische Richard Wagner-Gesellschaft Graz freut sich sehr, dass Sie Interesse am Werk Richard Wagners zeigen und Näheres über die Aktivitäten der Gesellschaft erfahren möchten.
Als einer der ältesten Wagner-Vereine weltweit (seit 1873!) sind wir Richard Wagner und seinen Werken verpflichtet. Natürlich steht er im Rahmen unserer Tätigkeit im Mittelpunkt. Da wir uns als kulturellen Verein verstehen, sind wir aber auch offen für das Wirken anderer Komponisten und Künstler. Dabei wollen wir das grundsätzliche Vereinsziel nicht aus den Augen verlieren. Dieses ist in unseren Statuten festgehalten und hat vor allem die Förderung des allgemeinen Verständnisses für die Kunst Richard Wagners zum Inhalt. Seine Werke sollen weiteren Kreisen von Musikinteressierten nahegebracht werden.
Zur Erfüllung und Verwirklichung der Vereinsziele veranstaltet die Österreichische Richard Wagner-Gesellschaft für ihre Mitglieder Clubabende, Vorträge, Konzerte, Kunstgespräche, Diskussionsabende und Reisen. Weiters erscheint zweimal im Jahr die Vereinszeitung "Kontrapunkte" mit Berichten und Kommentaren über die Bayreuther Festspiele, aber auch über sonstige musikalische Highlights, Opernaufführungen, Konzerte und Veranstaltungen sowie Buch-, DVD- und CD-Neuerscheinungen.
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